3. Digitalkonferenz „Fokus Patient“: Apotheker sind digital und stehen persönlich im Dienste des Patienten

Hannover, 23.10.2020 – Seit Beginn der Corona-Krise hat sich die Digitalisierung mit Hochdruck weiterentwickelt: Die Pandemie wirkte wie ein Katalysator. Das gilt auch für das Thema Gesundheit. Wie durch ein Brennglas hat die SARS-CoV-2-Pandemie den Nachholbedarf im Gesundheitsbereich und in der Digitalisierung sichtbar gemacht. Der Appell der Kontakt-Reduzierung forderte Apotheker wie Ärzte in der medizinisch-pharmazeutischen Versorgung der Bevölkerung heraus.

Seit Beginn der Pandemie informieren sich acht von zehn Bundesbürgern regelmäßig im Netz über den aktuellen Stand der Krise, jeder Fünfte hört regelmäßig Podcasts mit Corona-Bezug – und das über alle Altersgruppen hinweg. So explodierte die Anzahl der Follower des Robert Koch-Instituts schon zu Beginn der Pandemie. Hinzu kommen im Gesundheitsbereich richtungsweisende Veränderungen wie das E-Rezept mit vielen neuen Anwendungen und der boomende Markt der Gesundheits-Apps. Ein digitaler Dschungel, denn laut Ergebnissen des „Nationalen Aktionsplans Gesundheitskompetenz“ haben 54 Prozent der Bevölkerung Schwierigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für die persönliche Situation zu nutzen.

Die Apothekerkammer Niedersachsen beschäftigt sich schon lange und intensiv mit dem Themenkomplex „Gesundheit und Digitalisierung“ und setzte 2018 erstmals mit der 1. Digitalkonferenz „Fokus Patient“ den Auftakt für den interdisziplinären Austausch, im Folgejahr schloss die 2. Digitalkonferenz an die erfolgreiche Veranstaltung an. Beide Konferenzen beschäftigten sich mit Fragestellungen rund um die Themen „Herausforderungen und Chancen im Gesundheitswesen“ und „Welche Chancen bieten E-Rezept und Apps?“.

Auf der 3. Digitalkonferenz „Fokus Patient“ brachte die Apothekerkammer Niedersachsen erneut namhafte Expertinnen und Experten zusammen, die die Chancen, aber auch Herausforderungen für alle Akteure im Gesundheitswesen beleuchteten.

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Burs: „Patienten brauchen Navigationshilfe“

Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, eröffnete die Konferenz. „Alle Akteure des Gesundheitswesens sollten sich gemeinsam und kontinuierlich darüber austauschen, was die Digitalisierung bedeutet, welche Chancen sich daraus entwickeln, aber auch, welche Herausforderungen bewältigt werden müssen“, sagte sie. „Wenn wir uns alle kooperativ vernetzen, können wir im Schulterschluss zum Wohle des Patienten handeln. Denn eines zeigt unsere Erfahrung aus dem Apothekenalltag: Patienten brauchen eine Navigation durch die dichtbefahrenen Datenautobahnen und -nebenstraßen. In der Apotheke vor Ort müssen wir den verunsicherten Patienten beruhigen und Vertrauen aufbauen. So gilt es beispielsweise in der aktuellen Krisenzeit, ihn darin zu bestärken, die von der Bundesregierung herausgegeben Verhaltensregeln wie Abstand halten, Maske tragen, Hygieneregeln beachten und regelmäßig lüften, einzuhalten.“

In seinem einleitenden Grußwort sagte Staatssekretär Heiger Scholz, Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung: „Wir sind in einem Dilemma: Es gibt eine große Anzahl von digitalen Informationsangeboten im Gesundheitsbereich und auch zur aktuellen Covid-19-Pandemie, allerdings haben gerade die Menschen, für die diese Informationen besonders wichtig sind, oftmals nur einen erschwerten Zugang zu den digitalen Angeboten. Es fehlt an technischer Ausstattung, Medienkompetenz und auch an Kompetenz, die Informationen zu verstehen, zu gewichten und schließlich anzuwenden. Das Land Niedersachsen hat eine große Aufgabe vor sich, die noch nicht gelöst ist. Viele Bevölkerungsschichten müssen mit der Technik noch stärker vertraut gemacht und die Akzeptanz verbessert werden. Nicht nur das: Im Masterplan Digitalisierung hat sich das Land anspruchsvolle Ziele gesetzt. Bis 2022 sollen die hochleistungsfähigen Datenübertragungsnetze ausgebaut und weitere Digitalisierungsmaßnahmen finalisiert werden.“

Digitalisierung: Krise als Chance

Das Corona-Virus hat das öffentliche Leben tiefgreifend verändert. Dass die Pandemie auch Chancen eröffnet, davon ist Keynote-Speaker Ranga Yogeshwar überzeugt. Der Physiker und Wissenschaftsjournalist zeigte unter anderem auf, dass Technikskeptiker in dieser Krise „mitgenommen“ und Vorbehalte entkräftet werden konnten. „Wir wohnen und leben in seltsamen Zeiten. Und viele stellen sich die Frage, in welcher Welt unsere Kinder und Kindeskinder leben werden. Sie werden in der Welt leben, die wir heute bestimmen und deren Stellschrauben wir heute setzen. Wir erleben eine Zeit großer Entwicklungen, die Covid-19-Pandemie wirkt auf viele Innovationen als Beschleuniger. Im Gesundheitsbereich findet aktuell eine Änderung der Grammatik statt. Die Aufgaben der Heilberufler werden sich durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz verändern“, erklärt Yogeshwar in seinem Vortrag.

Daten sind das neue Gold

„Dank Machine Learning und Künstlicher Intelligenz können wir genetische Analysen machen, unser biologisches Alter bestimmen und Krankheiten in frühen Stadien erkennen“ fuhr Yogeshwar fort. „Daten, die leicht mit dem Smartphone und technischen Sprachassistenten gesammelt werden können, sind das neue Gold. Anhand von diesen Daten können wir schon heute Vorhersagen treffen. Doch was bedeutet dies für unsere Gesellschaft? Im Versicherungswesen gilt bis heute der Solidargedanke, der durch zunehmende Individualisierung aufgelöst werden könnte, wenn beispielweise der Patient einen Rabatt erhält, wenn er seine Fitnessdaten liefert. Dies hätte die Kraft, Verhaltensweisen zu beeinflussen: ‚Ich muss heute joggen gehen, sonst steigt mein Tarif‘.“ Bei allen Risiken rät Ranga Yogeshwar zur Zuversicht in die Technik: „Die Zukunft wird großartig werden. Wir brauchen aber eine Debatte. Innovationen können eine Gesellschaft instabil machen, das lehrt uns die Vergangenheit. Schon jetzt haben wir eine große Polarisation auch im Gesundheitsbereich. Was machen wir in einer Welt, in der ein Patient den Fachleuten wie Virologen, Ärzten und Apothekern von sich aus nicht mehr glaubt? Die wichtigste Vokabel heißt hier: Vertrauen.“

Digitale Welt: Vor- und Nachteile

Dr. Alexander Schachinger, Gründer und Geschäftsführer von EPatient Analytics, erläuterte, welche Vor- und Nachteile der digitale Gesundheitsmarkt von der Gesundheitswebsite hin zu Gesundheits-Apps und digitalen Start-ups für Bürger und Patienten bietet und was dies für die Apotheke vor Ort bedeutet. Der Medienwissenschaftler, der zum Thema „digitaler Patient“ promovierte, stellte fest: „Die Nutzung digitaler Gesundheitsanwendungen entwickelt sich nur langsam. Einfache Anwendungen wie die Online-Buchung von Arztterminen werden von Patienten gut angenommen. Bei komplexen Gesundheits-Apps wie Programmen, die den Patienten bei Rehabilitationsmaßnahmen begleiten, ist eine detaillierte Einführung durch Ärzte und Apotheker wichtig. Untersuchungen stellen fest, dass die Abbruchrate bei Patienten, die durch Fachleute in die Nutzung der Apps eingeführt worden sind, wesentlich geringer ist. “

Einfluss auf die Beratung durch Heilberufler

Ob und wie Patienten das breite Online-Angebot nutzen, um die eigene Gesundheitskompetenz zu schärfen, damit beschäftigte sich Professorin Dr. Marie-Luise Dierks, stellvertretende Leiterin des Instituts für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der Medizinischen Hochschule Hannover, in ihrem Vortrag. Dierks stellte zunächst die Zahlen aus der Gesellschaftsstudie D21-Digital-Index (2019-2020) zum Digitalisierungsgrad der Gesellschaft in Deutschland vor. Laut Studie nutzen 18 Prozent der deutschen Bevölkerung überhaupt keine digitalen Informationsangebote. 30 Prozent nutzen diese nur manchmal. Die digitale Nutzung sinkt mit dem Alter und steigt mit dem Bildungsniveau. Bei den Geschlechtern ist auszumachen, dass Frauen ihre Informationen seltener digital beschaffen als Männer. Dierks warnt davor, die Schuld für eine mangelnde Gesundheitskompetenz beim Patienten zu suchen: „Die Heilberufler müssen ihre Angebote daraufhin überprüfen, ob sie adressatengerecht und gesundheitskompetenzfördernd sind.“ Nach einer Studie des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller von 2019 ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Apotheker sehr hoch. „Mit diesem Vertrauen können die Apotheker weiterhin ihrer Funktion als Navigator im Gesundheitsbereich gerecht werden und in der Apotheke vor Ort, Patienten beraten und Hilfestellung zur Bewertung von Informationen aus dem Internet geben.“ Eine Orientierung, um gute Informationen im Gesundheitsbereich zu finden, bietet auch der Pfad-Finder Gesundheit auf der Website der Patientenuniversität der Medizinischen Hochschule Hannover.

Nationales Gesundheitsportal informiert unabhängig

Der Zugang zu Gesundheitsinformationen im Netz birgt Gefahren. Eine große Herausforderung: zwischen fachlich richtigen und falschen Informationen zu unterscheiden. Das neue Nationale Gesundheitsportal des Bundesministeriums für Gesundheit soll mit einem qualitätsgesicherten Angebot gegensteuern. Auf gesund.bund.de können Verbraucher auf wissenschaftlich belegte, leicht verständliche Gesundheitsinformationen zugreifen. Mit dem Gesundheitsportal möchte das Ministerium für mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitsbereich sorgen. „Aktuell ist die Qualität von Online-Informationen sehr unterschiedlich, was auch die Gesundheitskompetenz beeinträchtigt. Laut World Health Organization (WHO) führt dieses mangelnde Wissen zu 3 bis 5 Prozent Mehrkosten im Gesundheitsbereich“, berichtet Mina Ahmadi, Stellvertretende Referatsleiterin Nationales Gesundheitsportal, Bundesministerium für Gesundheit. „Das Portal soll keineswegs den Gang zum Arzt ersetzen, sondern die Kommunikation zwischen Arzt und Patient bereichern.“ Ahmadi betonte, dass das Portal ein agiles System ist und immer weiter ausgebaut werden soll. Auch Apotheker können in Zukunft gerne ihr Wissen und ihre Kompetenzen stärker in die Gesundheitsplattform einbringen.

Schulterschluss – zum Wohle des Patienten

Eines hat die Pandemie verdeutlich: Auf die Apotheker ist Verlass – sie sind persönlich und flächendeckend vor Ort für die Bevölkerung da. Die Apothekenteams standen auch in der Pandemie für ihre Patienten ein, versorgten sie verlässlich und eigenverantwortlich mit Arzneimitteln und standen ihnen beratend zur Seite. Damit der Patient die benötigten Medikamente rasch erhält und mögliche Wechselwirkungen mit anderen eingenommenen Arzneien noch schneller erkannt werden, sind die Apotheker längst digital. Die Beratung und Versorgung der Patienten bleiben jedoch immer persönlich.

Die 3. Digitalkonferenz zeigte wieder, wie wichtig die Vernetzung aller Heilberufler für die Gesundheit der Patienten ist. Die Digitalisierung hält viele Chancen bereit, ist Cathrin Burs sich sicher, doch: „Der Schlüssel für eine gute Patientenkommunikation ist Vertrauen. Unser Anliegen ist nicht nur der informierte Patient, wir wollen den „richtig informierten Patienten“. Erst dann kann er selbstbestimmt handeln und die Verantwortung für seine Gesundheit übernehmen.”

Der Apothekerkammer Niedersachsen gehören rund 7.800 Mitglieder an. Der Apotheker ist ein fachlich unabhängiger Heilberufler. Der Gesetzgeber hat den selbstständigen Apothekern die sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln übertragen. Der Beruf erfordert ein vierjähriges Pharmaziestudium an einer Universität und ein praktisches Jahr. Dabei erwirbt der Studierende Kenntnisse in pharmazeutischer Chemie und Biologie, Technologie, Pharmakologie, Toxikologie und Klinische Pharmazie. Nach dem Staatsexamen erhält er eine Approbation. Nur mit dieser staatlichen Zulassung kann er eine öffentliche Apotheke führen. Als Spezialist für Gesundheit und Prävention berät der Apotheker seriös und unabhängig. Er begleitet den Patienten fachlich, unterstützt ihn menschlich und hilft ihm so, seine Therapie im Alltag umzusetzen.

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Dr. Marie-Luise Dierks spricht über die mangelnde Gesundheits- kompetenz bei über 50 % der Bevölkerung

Dr. Marie-Luise Dierks spricht über die mangelnde Gesundheits- kompetenz bei über 50 % der Bevölkerung Fotonachweis: Apothekerkammer Niedersachsen/Ole Spata

 

 

Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen

Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen „Die Apotheker wollen den richtig Informierten Patienten“ Fotonachweis: Apothekerkammer Niedersachsen/Ole Spata

 

 

Bianca Uekermann, Moderatorin und Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Niedersachsen im Gespräch mit Ranga Yogeshwar

Bianca Uekermann, Moderatorin und Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Niedersachsen im Gespräch mit Ranga Yogeshwar Fotonachweis: Apothekerkammer Niedersachsen/Ole Spata

 

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